Skip to main content

„Alleine lebende Demenzkranke – Schulung einer Kommune“

Vorgestellt von Helga Schneider-Schelte, Mitarbeiterin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.

  • V---Helga Jeder vierte Anrufer beim Alzheimer Telefon ist jemand, der allein lebt - was bedeutet das? Was bedeutet es, wenn der Anteil derer zunimmt, die alleine leben? Bekommt das überhaupt jemand mit?
  • Helga Schneider-Schelte: Es ist eine schwierige Situation. Alleine lebende Demenzkranke bemühen sich sehr, dass sie ihren Alltag noch selbstbestimmt leben können. Von sich aus gehen sie nicht auf andere Dienste zu, um um Hilfe zu bitten, sie wollen nicht in ein Hilfesystem hineingeraten, sondern versuchen, ihren Alltag selbst zu bestreiten. Dies macht es so schwierig, Hilfen entsprechend abzustimmen auf alleine lebende Demenzkranke und die gängigen Hilfen erreichen diese Menschen nicht.
  • Empirisch gesicherte Erkenntnisse, ob eine Demenz bei alleine Lebenden später festgestellt wird als bei Personen, die mit einer Partnerin oder einem Partner leben, gibt es bislang nicht. In der Regel ist es so, dass alleine lebende mit Demenz durch irgendetwas auffällig werden. Beispiel: Jemand steht im Bademantel auf der Straße. Generell treten die Schwierigkeiten erst dann zu Tage, wenn die Eingriffsschwelle erreicht ist.
  • Das Projekt will mit Hilfe einer Schulung für die Kommune sensibilisieren, insbesondere Gruppen, die mit alleine lebenden Menschen mit einer Demenz in Berührung kommen - Einzelhändler, Banken, Vereine, Feuerwehrleute, die Polizei etc.
    Es wurden zehn Interviews mit alleine lebenden Menschen mit einer Demenz geführt. Eine Erkenntnis aus diesen Interviews war, dass sich alleine lebende Menschen mit einer Demenz nicht von anderen alleine Lebenden unterscheiden. Sie wollen vor allem möglichst selbstbestimmt bleiben, sie wollen mitreden, weiterhin Teil haben, etwas Sinnvolles tun und beitragen, Teil des Ganzen bleiben, auch etwas zurückgeben. Andererseits ist ihre Situation auch gekennzeichnet vom Spagat zwischen dem Autonomiewunsch einerseits und einem Sicherheitsbedürfnis bei den Betroffenen andererseits.
    Alleine lebende Menschen mit Demenz berichten aber auch von einer professionellen Fürsorge, die zu viel sein kann und die Gefahr der Entmündigung enthält.
  • Wichtig für eine angemessene Einschätzung der Situation dieser Gruppe Betroffener ist es, sich die Vielfalt und Unterschiedlichkeit alleine Lebender vor Augen zu führen. Nicht jede/r kann gleich gut alleine leben, die Bedürfnisse sind unterschiedlich und es wird ein unterschiedliches Maß an Hilfe benötigt. Gerade im Bereich der zugehenden Hilfen müssen Kommunen sich auf diese Unterschiedlichkeit und Vielfalt einstellen und diese bei der Entwicklung von Angeboten berücksichtigen.
  • Neben der Sensibilisierung der Profis geht es aber auch um die Sensibilisierung der Kinder und insbesondere der Nachbarn. Nicht jede Nachbarschaft ist ein Hort der Harmonie; es können sehr schnell Vorurteile aufgebaut werden („der Alte, der die Treppe nicht richtig putzt"). Hier ist hilfreich, wenn Menschen über demenzielle Veränderungen Bescheid wissen und man in der Nachbarschaft gut miteinander kommuniziert: „Wenn ich verstehe, warum jemand etwas nicht tun kann, dann bringe ich mit einiger Wahrscheinlichkeit mehr Toleranz gegenüber seinem Verhalten auf." (Schneider-Schelte)